Zucken, Kribbeln und Brennen in den Beinen – was sich zunächst wie Muskelkater anfühlt, lässt sich nicht selten als das sogenannte Restless Legs Syndrom (RLS) diagnostizieren. Umgangssprachlich ist auch vom Syndrom der unruhigen Beinen die Rede. Experten schätzen, dass in Deutschland etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung vom RLS betroffen sind.
Das Restless Legs Syndrom macht sich insbesondere abends und nachts bemerkbar. Bildquelle: Shutterstock
Inhaltsverzeichnis
Restless Legs Syndrom – das Krankheitsbild
Sobald der Körper etwas Ruhe und Entspannung findet, melden sich die Beine? Es kribbelt, zieht und es schleicht sich ein anhaltender Bewegungsdrang ein? Dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um das Restless Legs Syndrom. Die Krankheit verhindert nicht nur erholsamen Schlaf, sondern ist trotz fehlender öffentlicher Präsenz relativ weit verbreitet. Von 100 Menschen leiden schätzungsweise drei bis zehn Personen an dem RLS.
Das Restless Legs Syndrom ist eine Erkrankung, die Bewegungsunruhe und generelles Missempfinden in den Beinen auslöst. Bei Bewegung und Belastung klingen die Beschwerden in der Regel ab. Betroffen sind vermehrt Frauen, doch auch Männer können erkranken. Zu den gängigsten Symptomen gehören zuckende, brennende oder kribbelnde Beinen. Auch Schmerzen können auftreten. Meist machen sich die Anzeichen am Abend oder in der Nacht – generell während Ruhephasen – bemerkbar. Massive Schlafstörungen sind daher ein stetiger Begleiter der Krankheit.
Beim Restless Legs Syndrom handelt es sich um eine neurologische Erkrankung. Das Gehirn spielt entsprechend eine wichtige Rolle. Doch gleichwohl das Krankheitsbild seit Mitte des 17. Jahrhunderts aktenkundig ist, gibt die Ursachenforschung bis heute Rätsel auf.
Interessant:
Die Bezeichnung Restless-Legs-Syndrom ist seit dem Jahr 1945 allgemein anerkannt. Im Volksmund wird die Erkrankung dagegen „Syndrom der unruhigen Beine“ genannt. Diese Namensgebung geht auf den schwedischen Neurologen Karl Axel Ekbom zurück.
Typische Symptome für das Restless Legs Syndrom
Die Symptome für das Restless Legs Syndrom sind nicht immer leicht zu beschreiben. Jeder Mensch hat ein anderes Schmerzempfinden und reagiert auf körperliche Signale individuell. Die Symptome können daher variieren. Dennoch gibt es einige charakteristische Merkmale, die für das RLS typisch sind:
- Alle Menschen, die vom RLS betroffen sind, klagen über Missempfinden, das einem unangenehmen Spannungs- und Unruhegefühl zugrunde liegt. Das Unbehagen kann sich sowohl auf die Waden als auch auf die Oberschenkel beziehen. In seltenen Fällen betrifft das Syndrom auch die Arme. Ein Stechen, Ziehen, Brennen oder Prickeln sind ebenfalls gängige Merkmale.
- Betroffene klagen über einen unangenehmen Bewegungsdrang, der als unstillbar beschrieben wird. Die Beinmuskulatur lechzt quasi nach Anspannung und Dehnung.
- Die nichtendendwollende Unruhe in den Beine sucht Betroffene vor allem abends und nachts auf. Das RLS verhindert so Ruhephasen und erholsamen Schlaf. Müdigkeit und Erschöpfung am Tage sind die Folge.
- Aktivität und Bewegung schwächen die typischen Symptome ab. Kaltes Duschen oder eine Massageeinheit kann ebenfalls das Leiden mindern. Sobald sich jedoch die Muskulatur in den Beinen wieder entspannt, kehren die Beschwerden zurück.
Die Symptome des Restless Legs Syndroms treten zwar in aller Regel in den Abendstunden und in der Nacht auf, die Ausmaße der Erkrankungen schränken jedoch den Alltag der Betroffenen und somit die gesamte Lebensqualität stark ein.
Längeres Sitzen – etwa während Autofahrten, im Kino oder in einer Bar – wird ein quälendes Unterfangen. Im schlimmsten Fall torpediert das RLS das Berufsleben und das gesamte soziale Umfeld.
Restless Legs Syndrom: Ursachen & Zusammenhänge
Das Restless Legs Syndrom gibt der Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, bei der Gehirn, Rückenmark und Beine zusammenwirken? Oder ist das Gehirn der alleinige Auslöser? Spielen gar psychische Ursachen eine Rolle? Fragen gibt es nach derzeitigem Wissenstand zuhauf.
Aktuell geht die Forschung davon aus, das eine Störung des Botenstoffwechsels die Hauptursache für das primäre Restless Legs Syndrom ist. Zwei Möglichkeiten stehen dabei im Raum: Entweder produziert das Gehirn zu wenig Dopamin oder das Nervensystem ist nicht in der Lage, den Botenstoff korrekt zu verwerten. Durch eine Störung des Dopamin-Stoffwechsels werden Bewegungsimpulse im Schlaf oder in Ruhephasen nicht mehr ausreichend unterdrückt. Die Folge ist eine ungefilterte Befehlskette an die Muskeln.
Die Beeinträchtigung des Eisen-Stoffwechsels ist ein weiterer gängiger Ansatz, da viele Betroffene unter einer sogenannten Eisenmangelanämie (Blutarmut) leiden. Zudem untermauert die Tatsache, dass die Einnahme von Eisentabletten viele der gängigen Symptome lindert, diese Ursachentheorie.
Mit dem Restless Legs Syndrom werden generell sehr viele neurologische, internistische und psychiatrische Erkrankungen in Verbindung gebracht. In Zusammenhängen mit anderen Krankheiten wird das RLS als sekundär klassifiziert. Die jeweiligen Krankheitsbilder umfassen dabei unter anderen:
- Leukämie
- ADHS
- Depression
- Lungenerkrankungen
- Darmerkrankungen
- Urämie (ungenügende Nierenfunktion)
- Parkinson-Syndrom
- Angsterkrankungen
- Polyneuropathien (Erkrankungen des peripheren Nervensystems)
- Spinale Erkrankungen (Erkrankungen der Wirbelsäule)
Die Zusammenhänge legen den Verdacht nahe, dass es sich es beim Restless Legs Syndrom um eine Folgeerkrankung handelt. Ein anderer Blickwinkel lässt jedoch die Vermutung zu, dass RLS ursächlich mit den jeweiligen Krankheitsbildern verbunden ist. Die Wissenschaft ist sich hier uneinig und kommt nicht zu einem einheitlichen Konsens.
Einige Medikamente werden ebenfalls in einem Atemzug mit dem Restless Legs Syndrom genannt und stehen in Verdacht, die Erkrankung zu verstärken oder gar auszulösen. Dazu gehören unter anderem:
- Metoclopramid
- Antidepressiva
- Medikamente gegen eine Schilddrüsenunterfunktion
- Dopaminantagonisten (z.B. bestimmte Neuroleptika & Antipsychotika)
Interessant:
Erbliche Faktoren scheinen nach aktuellem Kenntnisstand eine wichtige Rolle bei der Entstehung des RLS zu spielen – insbesondere dann, wenn die Krankheit bereits im jungen Alter auftritt. Nach aktuellen Vermutungen wird das Syndrom autosomal-dominant vererbt. Bisher wurden sieben Chromosomenorte identifiziert, an denen Veränderungen vorliegen können.
Psychische Überlastung als Ursache?
Die Ursachenforschung des Restless Legs Syndrom werfen bis heute viele Fragen auf. Dennoch gelten einige Bereiche als bewiesen und fundiert erforscht. So weiß man etwa, dass die sogenannten Basalganglien eine zentrale Rolle beim RLS spielen. Dabei handelt es sich um eine Unterstruktur des Neocortex – ein Teil der Großhirnrinde. Sie ist für die Weitergabe von Bewegungsimpulsen der Großhirnrinde an die motorischen Zentren verantwortlich.
Neurobiologische Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre deuten darauf hin, dass die Basalganglien bei einer psychischen oder emotionalen Überlastung ihre Aufgabe nicht mehr korrekt erfüllen können. Die Weitergabe der Bewegungsimpulse ist fehlerhaft und kommt zum Erliegen. Das Signal verharrt quasi in den Basalganglien und ein eingefrorener Zustand ist die Folge.
Das Restless Legs Syndrom kann dabei als verspätete Entladung des eingefrorenen Bewegungsimpulses interpretiert werden. Die Forschung ist sich hier jedoch noch uneinig. Entsprechend lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob diese Form der psychischen Belastung in Zusammenhang mit dem RLS steht.
Wie wird das RLS diagnostiziert?
Den Grundstein einer RLS-Diagnose bilden die charakteristischen Symptome, die von einem Arzt in einem ausführlichen Patientengespräch erfragt werden. Daraufhin folgen Blutuntersuchungen, um äußere Ursachen wie etwa Eisenmangel oder Nierenschwäche auszuschließen.
Im nächsten Schritt stehen weitere Tests an, um den Verdacht auf das Restless Legs Syndrom zu bestärken. Eine der bekanntesten Methoden ist der Dopamintest, bei dem potenziell Betroffene den Wirkstoff L-Dopa einnehmen müssen – einmalig 100 bis 200 Milligramm ist hier üblich.
Sofern sich die Beschwerden bessern, ist eine Restless-Legs-Syndrom-Erkrankung sehr wahrscheinlich. Allerdings ist der Dopamintest tückisch. Denn selbst wenn keine Besserung eintritt, kann das RLS nicht ausgeschlossen werden.
Schlaflabor als sichere Diagnosemöglichkeit
Ein erfolgloser L-Dopa-Test schließt eine Diagnose nicht aus. Für absolute Gewissheit sorgt eine Untersuchung im Schlaflabor – beispielsweise in unserem S•MED Schlaflabor. Hier können die auffälligen Zuckungen in den Beinen während des Schlafs genaustens beobachtet werden. Betroffene werden dafür komplett verkabelt. Hirnströme, Atmung und Beinbewegung – sämtliche Aktivitäten können im Schlaflabor dokumentiert und ausgewertet werden.
Typische für das RLS sind periodische Beinbewegungen, die einem bestimmten Rhythmus folgen und daher in regelmäßigen Abständen auftreten. Dabei kommt es im Gehirn der Betroffenen zu gewissen Strömen, die im Labor aufgezeichnet werden. Die Zuckungen können derweil dafür sorgen, dass die Erkrankten aus dem Schlaf gerissen werden. Das Eintauchen in die wichtigen REM-Tiefschlafphasen ist so nicht möglich.
Was hilft gegen das Restless Legs Syndrom?
Es gibt keine pauschale Behandlungsmöglichkeit gegen das Restless Legs Syndrom. Die Situation jedes Betroffenen muss individuell betrachtet werden. Beschwerden, Vorerkrankungen, Gesundheitszustand – es gibt viele Variablen, die beim Behandlungsansatz hineinspielen. Eine individuelle Beratung und Planung ist daher unabdingbar.
Medikamente gegen das Restless Legs Syndrom
Das Restless-Legs-Syndrom ist nicht heilbar, lässt sich jedoch medikamentös behandeln. Dadurch lassen sich Beschwerden und Leidensdruck bis zu einem gewissen Grad lindern. Bei der Behandlung des RLS kommen in der Regel die folgenden Medikamente zum Einsatz:
- L-Dopa ist eine Vorstufe des körpereigenen Nervenbotenstoffs Dopamin. Die Einnahme erfolgt in Kombination mit dem Wirkstoff Benserazid. Dadurch wird gewährleistet, dass L-Dopa erst im Gehirn und nicht schon in den außerhalb liegenden Blutbahnen in Dopamin umgewandelt wird.
- Dopaminagonisten sind Wirkstoffe, die einen dopaminartigen Effekt im Gehirn simulieren bzw. hervorrufen. Zu Dopaminagonisten zählen unter anderem Rotigotin, Ropinirol und Pramipexol. Sie gelten allesamt als besonders hilfreich beim RLS, bergen jedoch aber auch ein gewisses Risiko.
- Gabapentin wurde ursprünglich als Wirkstoff gegen Epilepsie entwickelt, hat sich jedoch als sehr effektiv gegen das Restless-Legs-Syndrom erwiesen.
Restless-Legs-Syndrom: Was hilft sonst noch?
Einige Betroffene haben mit einfachen Kniffen ihre Leiden mindern und ihre Lebensqualität steigern können. Wechselduschen oder leichte Gymnastik sind etwa gängige Hausmittel. Auch Homöopathie kann unter Umständen helfen. Wissenschaftlich fundiert ist das alles jedoch nicht. Vielmehr geben bei solchen Maßnahmen das persönliche Empfinden und die persönlichen Beschwerden den Ausschlag.
Da das Restless Legs Syndrom die Lebensqualität stark mindern kann, sind mentale und psychische Probleme nicht selten die Folge. In solchen Fällen kann eine psychotherapeutische Behandlung in Erwägung gezogen werden. Auch eine Selbsthilfegruppe, um Erfahrungswerte, Anstöße und Gedanken mit anderen Betroffenen auszutauschen, kann unter Umständen eine entlastende Wirkung haben.
Restless Legs Syndrom während der Schwangerschaft
Das Restless Legs Syndrom tritt bei Frauen fast doppelt so häufig wie bei Männern auf. Vor allem bei schwangeren Frauen wird die Krankheit überdurchschnittlich oft diagnostiziert. Laut Schätzungen leiden circa zehn bis 34 Prozent aller schwangeren Frauen am RLS. Meist treten die Beschwerden während der letzten drei Monate der Schwangerschaft auf.
Die Symptome und Leiden folgen dem klassischen Muster – unangenehmes Missempfinden in den Beinen, ständiger Bewegungsdrang sowie Zucken, Brennen und Kribbeln in Ruhephasen. Bei den meisten Frauen klingen die Beschwerden innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entbindung ab. Allerdings besteht das Risiko für eine Chronifizierung des Restless Legs Syndroms nach erstmaligem Auftreten. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit um circa 30 Prozent erhöht, dass die Krankheit bei der nächsten Schwangerschaft zurückkehrt.
RLS während der Schwangerschaft: Was hilft?
Bei schwangeren Frauen, die am RLS leiden, bilden nicht-medikamentöse Maßnahmen die therapeutische Grundlage. So wird gewährleistet, dass es zu keinerlei Nebenwirkungen kommt und die Schwangerschaft nicht negativ beeinträchtigt wird.
In erster Linie sollten sämtliche Einflüsse und Faktoren beseitigt werden, die dem Restless Legs Syndrom förderlich sein könnten – z.B. Tabak, Alkohol oder bestimmte Psychopharmaka. Körperliche Aktivitäten in einem moderaten Umfang können derweil einen positiven Effekt erzielen. Yoga oder leichtes Dehnen sind passende Beispiele. Eine zu intensive Belastung ist dagegen schädlich und kann die Symptome des RLS verstärken.
Für eine Leidenslinderung können auch Massagen und pneumatische Kompressionen sorgen. Zeitgleich beugen sie venösen Stauungen und Beinvenenthrombosen vor.
Fazit: Restless Legs Syndrom bleibt komplexes Thema
Das Restless Legs Syndrom gibt der Forschung und Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Die Ursachen scheinen vielschichtig. Die Kategorisierung zwischen dem primären und sekundären Krankheitsbild macht die Ursachenforschung derweil zu einem sehr komplexen Unterfangen. Auch die persönliche Situation der Betroffenen erschwert die Suche nach dem Epizentrum – z.B. Erbanlagen, psychische Gesundheit und Schwangerschaft.
RLS gilt bis heute als unheilbar. Die Behandlungsmöglichkeiten gehen ausschließlich gegen die Symptome vor. Eine korrekte Therapie hebt jedoch die Lebensqualität der Leidenden um ein Vielfaches. Dafür muss jedoch zunächst ein umfangreiches Gespräch mit dem behandelten Arzt stattfinden, der mit den erfragten Informationen eine persönliche Behandlung in die Wege leitet.
Ein Besuch bei uns in der Sprechstunde ist daher empfehlenswert. Nur so können wir auf Ihre individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten eingehen und die optimale Therapie für Sie entwerfen. Getreu unserem Motto:
Nachts gut schlafen, tagsüber fit.
Autor: Prof. Dr.mult. Ralf Siegert
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